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Wenn Spaltung irreparabel wird - Kästners Fabian

Anlässlich des 125. Jahrestages von Erich Kästner, einem der berühmtesten Söhne unserer Stadt, entschied ich mich in der Bibliothek für Kästners Buch "Fabian". Der 1931 erschienene Roman zeichnet ein düsteres Bild der gesellschaftlichen Verhältnisse im Deutschland der Weimarer Republik. Zwischen den Zeilen spürt man die herannahende Götterdämmerung und den drohenden Umsturz der politischen Verhältnisse.

Kästners Fabel thematisiert unter anderem die Spaltung der Gesellschaft. Ein thematischer Austausch zwischen den gegensätzlichen Lagern findet praktisch nicht statt. Die politische Auseinandersetzung wird mit roher Gewalt auf der Straße ausgetragen. Der Protagonist Fabian erlebt den Zustand mit Abstand als Unbeteiligter und befindet sich dennoch mittendrin. Die Geschichte eines Moralisten zeigt eindrücklich auf, dass die Spaltung einer Gesellschaft derart fortschreiten kann, dass sie irreparabel wird.


Fabian akut

Diese Warnung ist hochaktuell. Das Auseinanderdriften der verschiedenen Standpunkte wurde durch Krisen befeuert: die Flüchtlingskrise, die Corona-Krise und der russische Krieg gegen die Ukraine. Die Verlagerung des politischen Diskurses auf die Plattformen der sozialen Medien entbindet die konträre Meinung von ihrem Bezug zum tatsächlichen Menschen, und der Algorithmus umgibt uns mit Gleichgesinnten, die unsere Ansichten bestätigen. Deshalb ist es ungemein wichtig, werteorientierte Politik zu betreiben. Werte, die verbinden und proaktiv dazu beitragen, Brücken zu bauen und das Verständnis für den anderen wieder wichtig werden zu lassen. Dazu gehört Wertschätzung auszudrücken für Andere, besonders diejenigen mit anderer Meinung, einfach nur weil sie auch Personen sind.  Ebenso aussprechen lassen und zuhören, nicht um währenddessen das eigene Argument vorzubereiten, sondern das Zuhören als Mittel der Begegnung. Nur wenn wir einander verstehen, können wir daran arbeiten, die besten Lösungen für unsere Stadt und unser Land zu finden.


"Werdet toleranter!"

Ein einfacher Aufruf zur Toleranz ist damit nicht gemeint und reicht auch nicht aus um das fortgeschrittene Schisma unserer Gesellschaft umzukehren. Streng genommen ist Toleranz gar kein Wert im herkömmlichen Sinne, da sie eher das Verhältnis zwischen unterschiedlichen Positionen und Lebensentwürfen erklärt, die sich gegenseitig aushalten, also eher ein Waffenstillstand, als ein Zusammenkommen. Um die Entwicklung zum Zerbruch aufzuhalten, braucht es mehr als nur die tolerante Bereitwilligkeit zur Beliebigkeit. Es braucht Werte, die das Gegenteil von Beliebigkeit darstellen.


Objektive Werte

Wir brauchen eine Rückbesinnung auf das objektiv Gute, objektiv Wahre und objektiv Schöne. Gerade dort, wo Werte feststehen, können wir uns an ihnen orientieren. Diese Werte finden wir in unserer jüdisch-christlichen Tradition und sie sollten einerseits von den christlichen Kirchen vermittelt und andererseits von jedem Christen vorgelebt werden. 

Die Kirche und der Glaube kommen in Kästners Fabian nicht vor. Alles scheint erlaubt, Tabus existieren nicht, weder sexuell noch in irgendeiner anderen Hinsicht – völlige Beliebigkeit. Und da auch bei uns heute der Anker fehlt, treiben wir in unserem Land immer weiter auseinander. Gerade deshalb ist die Idee einer "Leitkultur" geboten und wird von uns als CDU angestrebt. Nicht als weiterer Zündstoff, sondern als Heilmittel für ein fast zerstörtes Miteinander. 


Am Ende beobachtet Fabian wie ein Kind auf dem Geländer einer Brücke balanciert und abstürzt. Der Moralist Jakob Fabian stürzt von der Brücke in die Fluten, um ein herabgestürztes Kind zu retten. Er ertrinkt, denn er kann nicht schwimmen. Es braucht Begrenzungen, Festlegungen, eben Werte, die verhindern, dass die Moral den Bach runter geht.

Möge es im heutigen Deutschland, fast hundert Jahre später, anders verlaufen als in den 1930-ern.


Wollte er die Besserung der Zustände? Er wollte die Besserung der Menschen. Was war ihm jenes Ziel ohne diesen Weg dahin? Er wünschte jedem Menschen pro Tag zehn Hühner in den Topf, er wünschte jedem sein Wasserklosett mit Lautsprecher, er wünschte jedem sieben Automobile, für jeden Tag der Woche eines. Aber was war damit erreicht, wenn damit nichts anderes erreicht wurde? Wollte man ihm etwa weismachen, der Mensch würde gut, wenn es ihm gutging? Dann müssten ja die Beherrscher der Ölfelder und der Kohlegruben wahre Engel sein!

-Erich Köstner, Fabian 1931


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