Was haben die linke Wokeness-Bubble, Cancel Culture und die Fridays-for-Future-Bewegung gemeinsam? Sie sind, so die These des Historikers Tom Holland in seinem Buch „Herrschaft – Die Entstehung des Westens“, entwurzelte Auswüchse fundamental christlicher Werte.
Der Westen
Doch von vorn: Was ist eigentlich „der Westen“? Der Westen ist eine Wertegemeinschaft globalen Ausmaßes, die sich insbesondere in Europa und Nordamerika gebildet hat. Diese Wertegemeinschaft hat sich über viele Jahrhunderte hinweg von Europa aus geformt. Gewöhnlich wird hierbei auf die Aufklärung verwiesen, jene Epoche, in der Denker wie Robespierre und Rousseau ihre revolutionären Thesen über das Menschsein, den Staat und die Demokratie aufstellten. Mitbestimmung, Menschenwürde, die wissenschaftlich-objektive Methode und viele weitere Konzepte werden dem Zeitalter der Aufklärung zugeschrieben. Nichts jedoch, so Holland, könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Denn die Aufklärung geschah nicht in einem historischen Vakuum, sondern ist das Ergebnis einer über 1500-jährigen europäischen Geschichte – und diese ist eine christliche Geschichte.
Was uns stark macht
„Herrschaft“ macht klar: Im Jahr 33 n. Chr. ging vom Kreuz auf Golgatha, einer Müllkippe vor den Toren Jerusalems, die eigentliche Revolution für Europa aus. So gut wie alle Werte, die für uns heute in der Breite der Gesellschaft selbstverständlich sind, sind von der Bibel geprägt und wurden durch die Kirche gefestigt. Unser christliches Erbe ist reicher, als wir oft meinen. Es macht uns, selbst wenn wir persönlich nicht glauben, zu einer christlichen Gesellschaft. Die Anerkennung dieser Tatsache macht nachdenklich, da es ja gerade die „Erkenntnis“ der Aufklärung war, dass wir Gott nicht mehr brauchen. Eine Gesellschaft, ein Land, das die Transzendenz als unnötigen Ballast abwirft, sägt an dem Ast, auf dem es sitzt. Denn wer Gott verwirft, verwirft auch die Moral. Wer der Moral so die Grundlage entzieht, erntet eine entmenschlichte Gesellschaft. Die Konsequenzen dessen haben wir im Deutschland der Mitte des 20. Jahrhunderts in aller entsetzlichen Deutlichkeit gesehen. Nicht umsonst legt Nietzsche die Worte „Wir haben Gott getötet“ einem Wahnsinnigen in den Mund.
Konservativ?
Wir brauchen nicht zuerst eine Kulturrevolution, sondern sollten, unabhängig von unserer persönlichen Beziehung zum Christentum, dessen Wert neu abwägen und schätzen. Besonders im christlich-demokratischen Milieu besteht die Gefahr, dass wir uns mit einem Konservatismus zufrieden geben, der auf Pragmatismus, gesunden Menschenverstand und lösungsorientiertes Handeln setzt. Wer sich aber vom christlichen Nährboden entwurzelt, findet einen seelenlosen Konservatismus vor, der auch Gefahrenpotenzial birgt, bis hin zur Versuchung des Nationalismus.
Verwurzeln
Der Weg zu einem stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt führt über die Wiederentdeckung unserer christlichen Wurzeln. Denn das progressive Bedürfnis, für die Rechte von Minderheiten zu kämpfen, hat seinen Ursprung im Christentum. Unterdrückung zu beenden, Chancengleichheit herzustellen und die Natur als unsere Lebensgrundlage zu schützen, sind christliche Anliegen. Wer diesen christlichen Blick hat, kann Verständnis aufbringen, unterschiedliche Lager wieder zusammenführen und vielleicht sogar wieder verwurzeln, was entwurzelt wurde.
Tom Hollands Buch sei jedem empfohlen, der sich für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft einsetzen möchte und verstehen will, was das christliche Abendland wirklich ausmacht.
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